In vielen meiner Gespräche konnte ich das Thema Mitarbeiterbindung aus unterschiedlichen Perspektiven erfahren: einerseits von Organisationen und Unternehmen, die durch den Weggang vieler Mitarbeiter händeringend neue Fachkräfte suchen und dabei viel Energie einsetzen und andererseits von Einzelpersonen: Kunden, Bekannten und Kollegen, die einen neuen Job suchen oder bereits gefunden haben. Da mich das Thema Wechselbereitschaft - Mitarbeiterbindung aus beruflichem Interesse anzieht, habe ich recherchiert und reflektiert.
Die folgenden Gedanken sind bei mir durch Veröffentlichungen angeregt worden und können gerne diskutiert werden. Ich begrüße andere Haltungen, Erfahrungen und Meinungen. Schreibt mir gerne eine Email oder kontaktiert mich über LinkedIn.
Ich fand einige Artikel und Studien zu diesem Thema - entsprechende Hinweise und Links werden bei Zitaten als Fußnote und gesammelt am Ende des Blogs aufgeführt.
Die Kernaussagen aller Quellen ähneln sich. Es gibt eine große Wechselbereitschaft und gleichzeitig einen Fachkräftemangel: „Laut Gallup Report 2021 sind aktuell etwa doppelt so viele Beschäftigte auf aktiver Jobsuche (14 %) bzw. sehen sich nach einem neuen Arbeitsplatz um (26 %) als noch vor einigen Jahren (2020: 6 % aktive Jobsuche, 14 % Umsehen nach neuem Arbeitsplatz).“1
Das bedeutet für Unternehmen finanzielle Einbußen durch
Produktivitätseinbußen von Mitarbeitenden, die sich innerlich verabschiedet haben,
hohe Investitionen in Personalsuche (in Zeiten von Fachkräftemangel gibt es keinen schnellen Ersatz)
Personaleinstellungen aus der „Not“: hohe Risiko- und Kompromissbereitschaft bei der Auswahl
Einarbeitungskosten für neue Mitarbeiter*innen
Vier aussagekräftige Zitate:
Marco Nink, Gallup: „In der Pandemie haben viele über ihren Job nachgedacht und darüber, was sie vom Leben wollen“2 und in Bezug auf Führungskräfte: „Die wirken als emotionales Auffangbecken und schützen vor Fluktuation.“3 „Das Führungsverhalten in Deutschland hat Optimierungsbedarf“4
Emil Mahr von Personio: „Es gibt drei Hauptgründe, das sind fehlende Karrierechancen, zu viel Stress und ganz entscheidend schlechte Führungskräfte“5
Die Frage: Wie können Organisationen, Unternehmen Fachkräfte nachhaltiger binden? Kurze Antwort: Wenn sich Mitarbeiter verbunden und verstanden fühlen. Neben den klassischen Faktoren der Mitarbeiter*innenbindung wie Gehalt, Altersvorsorge, Arbeitszeitmodelle etc. sind für wechselwillige Personen der/die direkte Vorgesetzte der ausschlaggebende genannte Grund. Ein hohes Gehalt reicht also nicht für eine Bindung an ein Unternehmen oder Organisation. Das Verhalten der (direkten) Führungskräfte und die emotionale Bindung und unternehmenskulturelle Faktoren sind weitaus relevanter. Es geht um eine gelebte Unternehmenskultur in Form von wertschätzender Beziehungsgestaltung der Führungskräfte und auch zwischen den Kolleg*innen sowie die Sinnhaftigkeit der Aufgaben und Projekte.
Führungskräfte, die auf „Augenhöhe“ 6 kommunizieren und Mitarbeiter*innen ernst nehmen, können die Grundlage für die Entstehung einer angemessenen Unternehmenskultur schaffen. Die Haltung der Vorgesetzten zeigt sich im Alltag durch kleine Gesten wie z.B. den Mitarbeitenden (auch spontan) Gehör zu schenken, aufmerksam mit echtem Interesse Fragen zu stellen, Mitarbeiter*innen mit Namen anzusprechen... In zahlreichen Unternehmen und Organisationen stehen Führungskräfte unter einem enormen Druck. Der Fokus der Führungsaufgabe ist dabei eher fachlich, technisch, statistisch etc.. Häufig bleibt keine oder nur wenig Zeit um dem Kontakt zu den Mitarbeiter*innen genügend Raum zu geben - der emotionalen Ebene. Unter Stress arbeiten viele Führungskräfte kontraproduktiv und führen „eng“ im Sinne von direktiv, lassen den Mitarbeitenden wenig Spielräume das eigene Fachwissen und Kreativität einzubringen. Gespräche finden dann zwischen Tür und Angel statt.
Nicht zu vergessen: Gute, gesunde Führung braucht auch Zeit für Selbstreflexion und Feedback. Im Gallup-Report wird deutlich, dass Selbst- und Fremdbild der Führungskräfte offenbar auseinanderdriften. Marco Nink von Gallup: „97 Prozent aller Führungskräfte sagen, dass sie einen guten Job machen“7 Aus meiner Sicht kann die Ursache nur darin liegen, dass in den meisten Fällen der Kontakt zu den Teammitgliedern und der Basis verloren gegangen sein muss oder es keine kommunikative Plattform für eine ehrliche Rückmeldung gibt. Bindung braucht Interesse, Kommunikation, Vernetzung. Gute Fachkräfte brauchen einen angemessen Entscheidungsrahmen um sich selbst als wirksam zu erleben. Erfolg bindet. Gemeinsamer Erfolg noch mehr.
Gerade in schwierigen Situationen können Unternehmen von der Investition in Reflexion, Feedback und Kommunikation profitieren: „Eine hohe Mitarbeiterbindung sorgt nicht nur dafür, dass die Beschäftigten ihren Arbeitsplatz nicht aufgeben möchten. Beschäftigte mit starker emotionaler Bindung würden ihr Unternehmen auch deutlich häufiger als Arbeitgeber empfehlen (77 %) als Beschäftigte ohne emotionale Bindung (3 %).“8 Die Mitarbeiter*innen haben häufig einen direkten „Draht“ zu den Kund*innen und sind eine Quelle von wertvollen Hinweisen im Bezug auf kontinuierlicher Verbesserung von Dienstleistung und/oder Produkten.
Ein weiterer Benefit: Durch einen guten Austausch entsteht eine Vertrauensebene. Wenn eine gesunde Vertrauensebene entstanden ist, erfahren Führungskräfte frühzeitig von Unzufriedenheit, Frustrationen, Wünschen der Mitarbeitenden und können ggf. unterstützen oder sind im Zweifel gerüstet, dass ein*e Mitarbeiter*in geht und können seine/ihre Erfahrungen mit in die Suche nach einer neuen Fachkraft mit einfließen lassen.
Was braucht’s?
Einsicht, dass Führungskräfte Zeit und Raum benötigen um Menschen zu führen.
Zeit und die nötige Empathie der Führungskräfte um durch Gespräche Kontakt aufzubauen, zu verstehen und soziale Bindung entstehen zu lassen.
Ehrliche und wirksame Feedbackschleifen für Führungskräfte und Mitarbeiter*innen
Weiterbildung, Coaching und andere Reflexionsmöglichkeiten für Führungskräfte
Führen mit möglichst großer Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter*innen
Agile Moderationsformate, die den Austausch über Fachfragen, Projekte auf Augenhöhe ermöglichen
Ambiguitätstoleranz: die Stärke andere Erfahrungen, Meinungen einfließen zu lassen
Erfolge im Team zu teilen
Eine Unternehmenskultur, die generationsübergreifend Projektarbeit ermöglicht
....
Veröffentlichungen zum Thema Wechselbereitschaft:
Thomas Magenheim-Hörmann im Redaktionsnetzwerk Deutschlang, Claudia Tödtmann Wirtschaftswoche 5.4. 2022
Thomas Magenheim-Hörmann https://www.rnd.de/wirtschaft/studien-zeigen-grosser-frust-in-deutschlands-belegschaften- NCRDX55DKBG5VNPJ6GLWLZY67Q.html
Kathrin Kirchler Personio GmbH (Studie vom 2. Juni 2022)
Claudia Tödtmann, https://www.wiwo.de/erfolg/management/gallup-studie-jobwechsel-ja-gern- die-great-resignation-erreicht-deutschland/28227928.html
https://www.computerwoche.de/a/stresslevel-auf-neuem-rekordniveau,3553632
Führen auf Augenhöhe - Der Film https://www.youtube.com/watch?v=A7Db0K7WCOA
Studien:
1 www.machfit.de https://www.machtfit.de/bgm-studien/gallup-report-mitarbeiterbindung-sinkt-weiter/ 2 Thomas Magenheim-Hörmann https://www.rnd.de/wirtschaft/studien-zeigen-grosser-frust-in-deutschlands- belegschaften 7.5.22 3 Claudia Tödtmann, https://www.wiwo.de/erfolg/management/gallup-studie-jobwechsel-ja-gern-die-great-resignation- erreicht- deutschland/28227928.html 4 Thomas Magenheim-Hörmann https://www.rnd.de/wirtschaft/studien-zeigen-grosser-frust-in-deutschlands- belegschaften 7.5.22 5 ebenda
6 Film Führen auf Augenhöhe: https://www.youtube.com/watch?v=A7Db0K7WCOA 7 Thomas Magenheim-Hörmann im Redaktionsnetzwerk Deutschlang, Claudia Tödtmann Wirtschaftswoche 5.4. 2022
8 www.machfit.de https://www.machtfit.de/bgm-studien/gallup-report-mitarbeiterbindung-sinkt-weiter/
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